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Ergänzt wird das Interview mit Zitaten (kursiv geschrieben) aus dem Buch «Himmelwärts - Bergführerinnen im Porträt» von Daniela Schwegler, erschienen 2019 im Rotpunktverlag. Andrea Jacomet ist eine der 12 Bergführerinnen, welche darin von der Leidenschaft erzählen, die sie antreibt: Ihre Liebe zu den Bergen an andere Menschen weitergeben.
 

(...) 1986 erhielt Nicole Niquille als erste Frau das Schweizer Bergführerdiplom. Sie legte damit eine Spur, der bisher über drei Dutzend Frauen gefolgt sind. Heute beträgt der Anteil der Frauen im Schweizer Bergführerverband mit knapp 40 Frauen auf gut 1300 aktive Männer rund drei Prozent. 1998 erreichte Andrea Jacomet als 13. Frau in der Schweiz das Bergführer-Diplom.

Zoom: Andrea Jacomet
Zoom: Andrea Jacomet

berg-welt: «Andrea, du bist u.a. ausgebildete Bergführerin IVBV. Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?»

Andrea Jacomet: «Mein Vater hat uns Kinder auf Skitouren, Hüttenwanderungen und leichte Klettertouren mitgenommen. Wenn ich heute zurückschaue, staune ich manchmal schon über den Mut meines Vaters! Mein erster Viertausender war das Strahlhorn, da war ich zwölf. Mir hat das Unterwegssein in den Bergen immer sehr gefallen. Schon als Mädchen habe ich davon geträumt, Bergführerin zu werden, etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen. In den Bergen bin ich zufrieden.»
 

(...) Das männliche Bergführer-Bild hält sich hartnäckig in den Köpfen - bis heute. Frauen im Beruf rütteln empfindlich daran. Bergführerinnen stellen die Welt der Traditionalisten auf den Kopf, genauso wie es einst Akademiker und die Unterländer taten.


«Was gefällt dir besonders gut am Führen?»

«Anderen Menschen zu helfen, an Orte zu gelangen, die mich selber faszinieren und die wir nur zusammen erreichen können.»

Zoom: Andrea Jacomet
Zoom: Andrea Jacomet

«Wie erlebst du deine Gäste? Gibt es besondere Herausforderungen?»

«Unserer Gäste sind unterschiedlich und zusammen sind wir in immer wieder neuen Situationen unterwegs. Ich bin keine Einzelgängerin und geniesse das Zusammensein, die Arbeit als Bergführerin gibt mir die Möglichkeit, viele spannende Menschen kennen zu lernen. Die Herausforderung liegt bei mir: bin ich offen und flexibel, um auf verschiedene Bedürfnisse und Bedingungen einzugehen? Die eigene Freude überträgt sich auf unsere Gäste, wenn mir das als Bergführerin gelingt, ist es schon sehr schön, glückliche Momente zu teilen.»
 

(...) Bergführerin oder Bergführer wird man nicht aus einer Laune heraus, für viele ist es ein Traumberuf. Doch der will erkämpft sein. Für den Eintrittstest benötigt man bereits viel Hochgebirgserfahrung und ein starkes technisches Niveau in Schnee, Eis und Fels sowie beim Skibergsteigen, Freeriden und Eisfallklettern. Nur gute Alpinistinnen und Alpinisten mit langjähriger Bergerfahrung schaffen die mindestens dreijährige Ausbildung des Schweizer Bergführerverbands.


«Kannst du uns ein besonders eindrückliches Erlebnis, eine besondere Situation auf einer Reise schildern?»

«Besondere Situationen finde ich immer dann, wenn wir Ziele erreichen, die herausgefordert haben. Das ist dann pures Gipfelglück.»
 

«Seit Jahren bist du für uns regelmässig in Norwegen, Peru, Chile/Bolivien, Ladakh und Nepal unterwegs. Wie motivierst du dich, immer wieder die Tasche zu packen und 100% für deine Gäste da zu sein?»

«Ich habe nie das Gefühl, dass ich mich für Reisen motivieren muss, ich reise unglaublich gerne und ohne Reisen kann ich mir mein Leben kaum vorstellen. Ich empfinde es als Privileg, dass ich die Möglichkeit habe, mit Gästen um die Welt zu reisen und neue Länder und Kulturen zu entdecken. Im letzten Herbst war ich auf einem Trekking im Khumbu, Nepal, die Reise durch die eindrückliche Bergwelt hat mich begeistert.»

Zoom: Everest Panorama Trekking
Zoom: Everest Panorama Trekking

(...) Zwar bezeichneten sich Bergführerinnen und Bergführer heute nicht mehr als Helden. Doch der Mythos, die Aura, die sie umgibt, zeugen von Stärke, Vertrauen und Sicherheit. Bergführerinnen und Bergführern haftet das Image von Seriosität, Freiheit und sportlicher Lebensführung an.


«Welche Destination, Reise oder welcher Berg faszinieren/fasziniert dich besonders und warum?»

«Das einfache Leben auf Bergreisen gefällt mir gut. Die Konzentration liegt dann auf dem Erleben. Besonders gerne bin ich auf Reisen in mittleren Höhen, ich empfinde das Unterwegsein in der dünneren Luft pur und die Freude über Erreichtes gross. Den Ausblick in die Weite mag ich sehr. Im letzten Frühling war ich auf einer Skitourenreise in Lyngen - die etwas anderen Skitouren mit grandiosen Aussichten in die Fjorde haben mich fasziniert.»

Zoom: Skitouren Lyngen Alpen
Zoom: Andrea Jacomet

«Liebe Andrea, vielen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz zum Wohl unserer Gäste und weiterhin viel Freude an deinem Beruf!»


(...) Frauen schreiben Alpingeschichte. Und langsam, aber stetig steigt ihre Zahl am Berg. (...) Gipfelstürmerinnen sind nicht mehr zu bremsen. Und das Genderthema sei wohl nicht zuletzt eine Generationenfrage (....). Viele junge Bergkollegen gingen mit dem Thema Frauen am Berg heute ganz entspannt um.


Steffisburg, im Oktober 2019